Der Weg nach Santiago
Somportpass 2009
Navigator
2009 - Somport – Puente La Reina
Der nächste Morgen sollte uns zuerst auf der Hauptstraße weiter Richtung Jaca bringen. Doch
weit kamen wir nicht. Über 8000 Radfahrer stellten sich uns in den Weg. Galt es doch die
Pyrenäenrundfahrt über 4 Bergepässe zu meistern. Lange Zeit schauten wir begeistert auf
die riesige Menge an Radfahrern, die sich an uns vorbeiquälten. Erst nach gut einer Stunde
konnten wir unseren Camino fortsetzen.
Am Rand des Flusses Aragon entlang, der sich tief in den Fels gegraben hat, durch schöne
Auenwälder stiegen wir immer weiter hinab, hinter uns die Berge als große Kulisse zurück-
lassend. Bei großer Hitze galt es noch einige Höhenmeter zu überwinden bis wir am Nachmittag
Castillo de Jaca erreichten und eine längere Rast einlegten. Bis auf ein paar spielende Kinder
war der Ort wie ausgestorben. Die Kirche blieb uns verschlossen, dafür durften wir die schönen
Kaminformen der steingedeckten Dächer bewundern.
Über die „Calle de Santiago“ ging es hinunter an den Fluss, den wir über große Trittsteine
querten. Langsam näherten wir uns unserem Tagesziel. Wegen dem Radrennen waren alle
Unterkünfte in und um Jaca belegt, so dass wir uns nach einem kurzen Stadtbummel
Heute hatten wir zum ersten Mal einen richtigen Ruhetag, den wir natürlich sinnvoll nutzen wollten. Nur 7 Kilometer entfernt
besuchten wir das Kloster San Juan de la Pena. Bei unserer Ankunft herrschte dort heftiger Trubel. Ein Fernsehteam war am
drehen, wichtige Leute gaben Interviews und die Bruderschaft des Grals hatte eine Feierstunde im alten Kreuzgang. Trotz
alledem konnten wir ausführlich die Reste der Anlage betrachten, besonders die feingearbeiteten Kapitelle hatten es uns
angetan.
Eigentlich dachten wir, dies wäre nicht zu toppen, doch als wir nach einem steilen Anstieg vor dem neuen Kloster stehen
werden wir angenehm überrascht. Hat man doch über den Gebäuderesten der zerstörten Anlage ein neues Museum errichtet
und in den Räumen mit lebensgroßen Figurengruppen das Alltagsleben nachgestellt. Betrachtet wird das Ganze durch eine
begehbare Glasdecke die über der Anlage liegt. Welch eigenartiges Gefühl über den Glasboden zu laufen. Schön, dass es
Architekten gibt, die solche Kunstwerke schaffen.
entschlossen in das 20 Kilometer entfernte Santa Cruz de los Cerros zu fahren.
Der anschließende Besuch auf dem „Balcon de los Pyreneos“ rundete diesen
schönen Tag ab. Die Fernsicht auf die Berge war beeindruckend grandios.
Lange genossen wir diesen schönen Ort. Der Abstieg nach Santa Cruz war
steil und heftig, aber da wir ohne Gepäck unterwegs waren für uns leicht zu
meistern.
Gut ausgeruht ging es wieder hinunter ins Tal des Aragons. Zuerst durch eine
grüne Buschlandschaft, doch schon bald am Rande der Nationalstraße auf
einem breiten Randstreifen entlang. Kurz vor Puente la Reina de Jaca haben
viele fleißige Hände aus den Flusskieseln Steinpyramiden errichtet. Unzählige
stehen am Wegrand und bilden ein schönes Ensemble. Hier teilt sich der Weg,
da er durch den Stausee zerschnitten wird. Der neu angelegte führt über
Artieda am unteren Teil des Sees vorbei nach Sanguesa. Der andere Camino
verläuft über Berdun an der nördlichen Seeseite entlang. Nach längerem
Zögern nehmen wir den Weg nach Berdun, welcher über weite Strecken an der stark befahrenen Straße entlang führt. Schon
von weitem können wir die Stadt auf dem Hügel erkennen.
Einige Kilometer vorher stoppt uns ein VW-Bus. Es ist der Besitzer unserer heutigen Herberge in Berdun. Er erleichtert uns um
unsere Rucksäcke und gibt uns die Schlüssel zur Herberge, da er noch Besorgungen machen muss. So erreichen wir um
einige Kilo erleichtert die Herberge, die sich als schönes Landhaus am Fuß der Ortschaft entpuppt. Beim anschließenden
Rundgang durch die Straßen der Altstadt können wir die alten, historischen Häuser bewundern.
Der Besitzer unserer Unterkunft, ein Engländer führt selbst Gruppen auf den verschiedenen Jakobswegen in der näheren
Umgebung. In geselliger Runde mit einem älteren englischen Ehepaar essen wir zu Abend und genießen den Komfort
unserer Herberge.
Eigentlich sollte unser Weg uns weiter am Nordufer entlang führen. Doch der
Herbergsvater rät uns, da Teile des Weges gesperrt sind über Artieda weiter zu
laufen. Da es keine Unterkünfte mehr auf der Nordseite gibt, nehmen wir den
Ratschlag gerne an. So queren wir wieder den Fluss um durch eine baumlose
Schotterlandschaft nach Artieda zu gelangen. Die Betreiberin des Refugios ist
gleichzeitig auch die örtliche Taxifahrerin. Wir können unser Gepäck bei ihr
abstellen um leichter in das 10 Kilometer entfernte Ruesta, unserem Tagesziel
zu gelangen.
Übernachten wollen wir heute auf der anderen Seite des Sees, nämlich im
Kloster Leyre. Der Weg nach Ruesta auf der asphaltierten Straße ist hart und
heiß, erst gegen Schluss geht es durch ein schönes Waldstück. Unter uns liegt
der Stausee, welcher bei den Einheimischen sehr umstritten ist und immer wieder
zu Protesten Anlass gibt. Ruesta, einst eine stolze kleine Stadt ist dem Zerfall preisgegeben.
Nur ein Refugio und eine Bar gibt es noch am Rande der Ortschaft. Nach einer kurzen Rast rufen wir unser Taxi, das uns auf
die andere Seite des Sees bringt. Von der Taxifahrerin erfahren wir auch die Geschichte des Staudammes, die Vertreibung der
Anlieger und die umstrittenen Pläne, den See zu vergrößern.
Nach einer guten halben Stunde haben wir Leyre erreicht. Wir haben ein 4 Bettzimmer reserviert und nutzen die noch übrige
Zeit zu einer ausführlichen Besichtigung. Besonders die Krypta mit ihren mächtigen Kapitellen fasziniert uns. Wenig später
lauschen wir dem Gesang der Mönche, welche zum Abendgebet versammelt sind und genießen die Stille des Ortes hoch
über dem See.
Kurz angesetzt habe ich den heutigen Tag. Zuerst geht es hinunter nach Javier,
der Burg in welcher der heilige Franziskus von Javier geboren wurde. Zum 600
Jahrestag hat man sie gründlich renoviert.
Die Sonne meint es wieder gut mit uns. Der anschließende Weg nach
Sanguesa ist heiß, staubig und lang. Doch das Ziel rechtfertigt die
Anstrengungen. Schöne alte Stadtpaläste mit ihren geschnitzten Dachfirsten
und die Kirche Santa Maria la Real sind besondere Sehenswürdigkeiten der
Stadt am Jakobsweg. Das Tympanon der Jakobskirche erinnert uns stark an
Conques das einen ähnlich herausgearbeiteten Schmuck über dem Westportal
hat. Auch das spanische Bier, dass wir nach dem Rundgang genießen mundet
uns sehr und rundet den schönen Tag gut ab.
Heute starten wir in Liedena, 4 Kilometer nördlich von Sanguesa. Wir verlassen den Pilgerpfad und wollen durch die wild-
romantische Schlucht von Lumbier. Auf der alten, aufgelassenen Bahntrasse geht es an den Eingang, wo es die Überreste
einer mittelalterlichen Brücke zu sehen gibt, die Puente del Diablo. Nach dem Durchqueren von 2 Tunnels befinden uns in
einer anderen Welt. Steile Felswände, ein rauschender Fluss und über uns Aasgeier die ihre Kreise ziehen. Immer wieder
kommen sie nahe an uns heran um dann wieder zu ihren Nestern zu fliegen.
Nach der Schlucht suchen wir uns einen Weg nach Monreal. Doch durch eine Großbaustelle der Autobahn ist der Wegverlauf
gesperrt. So beschließen wir den weiteren Weg über Izco zu nehmen. Landschaftlich sehr reizvoll, doch lange und fast ohne
Schatten führt der Camino durch ein einsames Waldgebiet.
Wir treffen auf ein Pilgerpaar aus dem Saarland, welches mit uns auf dem Weg ist. In Izco versuchen die beiden vergeblich
nach der Herberge. Trotz Problemen mit den Füßen müssen sie mit uns bis Monreal weiter laufen. Dort bekommen sie einen
Platz im Refugio. Wir sind heute gegenüber der Kirche in einem wunderschönen Herrenhaus untergebracht. Beim
gemeinsamen Abendessen in der Gite tauschen wir Erfahrungen aus und sehen uns mit den Einheimischen ein
aufziehendes Gewitter an.
Um mehr Zeit in Puente la Reina zu haben verkürzen wir die 32 Kilometer der
Reststrecke und beginnen in Tiermas mit der Wanderung. Auch Alfred ist dankbar
über die Kürzung, hatte ihm doch der gestrige Gewaltmarsch stark mitgespielt. An
der Autobahn vorbei kommen wir langsam in das Gebiet, welches wir schon 1996
durchwandert hatten. Umso gespannter sind wir natürlich auf die Veränderungen
welche die Zeit mit sich gebracht hat. Vorbei an den ersten blühenden Sonnen-
blumenfeldern erreichen wir die Kapelle von Eunate, an die wir noch gute
Erinnerungen haben.
Noch immer liegt sie einsam in den Feldern, auch wenn sich der Camino der zu ihr
führt verändert hat. Es hat ihr aber nicht geschadet. Wir lassen mit einigen anderen
Pilgern die schöne Kapelle auf uns wirken und recht ungern nehmen wir später den
Weg nach Puente auf. Über Muruzabal gelangen wir letztlich zum Denkmal, das an
die Vereinigung der 3 Wege zum Camino frances erinnert. Noch immer steht es ein wenig deplaziert am Straßenrand und
begrüßt mehr die Autofahrer als die Pilger. Puente la Reina ist im Gegensatz zu unseren letzten Zielen voll mit Pilgern. Es
herrscht ein quirliges Treiben im Refugio. Auf der Leine flattern die Wäschestücke im Wind und die Herberge ist gut besucht.
Auch hier hat sich einiges verändert. Der ehemalige Schlafraum ist Aufenthaltsraum und Dusche geworden. Aus den 3-Stock-
betten wurden 2-Stockbetten und aus der ehemals engen Herberge ist ein weiträumiges Refugio entstanden. Wir besichtigen
die Kirche mit dem rheinländischen Kreuz und gehen zur Brücke der Königin, der letzten Station unserer Reise. Hier hat sich
wenig verändert. Mächtig überspannt sie den Fluss wie seit über 1000 Jahren und gibt der Stadt ihren Namen.
Unsere Heimreise ging zuerst mit dem Bus nach Pamplona und anschließend weiter nach Bilbao. Hier nutzten wir die
Gelegenheit, dem futuristischen Guggenheim-Museum einen Besuch abzustatten.
So endete unsere 2009er „Kür“ auf dem Camino de Santiago.